Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Von | 9. Dezember 2014

Aufrechnung im Insolvenzverfahren

Steuerforderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, muß das Finanzamt als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden.

Ergeben sich im Lauf des Insolvenzverfahrens oder danach Steuererstattungsansprüche stellt sich regelmäßig die Frage, ob das Finanzamt mit den Insolvenzforderungen gegen diese Erstattungansprüche aufrechnen kann. Dies hängt regelmäßig davon ab, welchem  Verfahrensabschnitt und welcher Vermögensmasse die Erstattungsansprüche zuzuordnen sind.

Wenn die Aufrechnungslage bereits vor Insolvenzeröffnung bestand, bisher aber von keiner Partei die Aufrechnung erklärt wurde, kann dies auch noch nach Insolvenzeröffnung erfolgen. In solchen Fällen wird die bestehende Aufrechnungslage durch § 94 InsO geschützt.

Beispiel: :

Eine Umsatzsteuerforderung für das Jahr 2012 gegen Unternehmer A i.H.v. 5 T€ wird am 01.05.2014 fällig.  Mit Datum vom 05.05.2014 erläßt das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2012. Es ergibt sich ein Erstattungsbetrag i.H.v. 6 T€. Das Insolvenzverfahren für A wird am 30.05.2014 eröffnet.

Hier ist eine Aufrechnung durch das Finanzamt nach Insolvenzeröffnung noch möglich. Das Finanzamt muß nur den übersteigenden Betrag i.H.v. 2 T€ an den Insolvenzverwalter auszahlen.

Auch wenn die Aufrechnungslage erst nach Insolvenzeröffnung geschaffen wird, ist eine Aufrechnung noch möglich. So z.B. dann, wenn die Steuerforderung des Finanzamtes erst nach Insolvenzeröffnung fällig wird. Wäre das Insolvenzverfahren im o.g. Beispiel z.B. bereits am 30.04.2014 eröffnet worden, könnte das Finanzamt dennoch mit der USt-Forderung gegen den Erstattungsanspruch aufrechnen.

Hier gibt es jedoch eine Einschränkung: Wird die Hauptforderung des Schuldners unbedingt und fällig, bevor die die Aufrechnung erfolgen kann (also vor Fälligkeit der Gegenforderung des Finanzamtes), so ist die Aufrechnung gem. § 95 Abs. 1 S. 3 InsO ausgeschlossen.

Abwandlung Beispiel:

Insolvenzeröffnung am 30.04.2014. Fälligkeit des Erstattungsanspruches für Einkommensteuer 2012 am 05.05.2014. Fälligkeit der Umsatzsteuerforderung des Finanzamtes am 10.05.2014.

In diesem Fall kann das Finanzamt nicht aufrechnen, da die Hauptforderung (=Erstattungsanspruch) bereits vor der Gegenforderung (=Umsatzsteuerforderung) fällig war. Die zum 10.05.2014 eingetretene Aufrechnungslage wird nicht geschützt.

Die Aufrechnungslage wird somit immer dann geschützt, wenn der Erstattungsanspruch des Schuldners vor Insolvenzeröffnung begründet wurde und nicht vor der Steuerforderung des Finanzamtes fällig geworden ist.

Gegen einen Erstattungsanspruch, der erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wird, kann das Finanzamt gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht aufrechnen.

Beispiel:

Insolvenzeröffnung am 30.05.2014. Für Juni 2014 ergibt sich ein Umsatzsteuerguthaben i.H.v. 5 T€. Dagegen erklärt das Finanzamt mit einer Umsatzsteuerforderung für 2007 die Aufrechnung.

In diesem Fall ist die Aufrechnung unzulässig. Das Finanzamt ist den Erstattungsbetrag für 06/2014 erst nach Insolvenzeröffnung zur Masse schuldig geworden. Der Betrag muß an den Insolvenzverwalter ausbezahlt werden.

Gegen Steuererstattungsansrüche, die in der sogenannten Wohlverhaltensphase (also nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens) entstehen, kann das Finanzamt nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.07.2005 – IX ZR 115/04) mit Insolvenzforderungen aufrechnen. Dies gilt nicht, soweit die Erstattungsbeträge wegen einer Nachtragsverteilung noch der Insolvenzmasse zustehen. .

Gibt der Insolvenzverwalter den Gewerbebetrieb des Schuldners gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei, so gehören sowohl die Einkünfte daraus, als auch die damit verbundenen Steueransprüche zum insolvenzfreien Vermögen des Schuldners. Das Finanzamt kann Ansprüche gegen die Insolvenzmasse nicht mit Erstattungsansprüchen aus dem insolvenzfreien Vermögen aufrechnen, und umgekehrt. Die Vermögensmassen sind getrennt zu betrachten.

Soweit im Rahmen des freigegebenen Gewerbebetriebes Steuererstattungsansprüche entstehen, kann das Finanzamt dagegen mit Insolvenzforderungen aufrechnen. In vielen Fällen wird dadurch der “Restart” des Insolvenzschuldners erheblich erschwert. Soweit nämlich Vorsteuererstattungsansprüche entstehen, werden diese vom Finanzamt nicht ausbezahlt, sondern mit Altforderungen verrechnet. Dem Unternehmer fehlt dadurch die dringend benötigte Liquidität. Dies kann bereits das erneute Aus bedeuten. In diesen Fällen gilt es daher nach Lösungen zu suchen, wie die Aufrechnung vermieden werden kann.

Nach Erteilung der Restschuldbefreiung ist eine Aufrechnung durch das Finanzamt mit Insolvenzforderungen nicht mehr möglich. Es fehlt an der gem. § 387 BGB erforderlichen Durchsetzbarkeit der Gegenforderung des Finanzamtes.